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20 Minuten mit Beitragsserie zu Pädophilie und Pädokriminalität
Zürich, 30. November 2020 – Fälle von sexueller Misshandlung von Kindern entsetzen und versetzen die Bevölkerung in grosse Aufruhr. Bei der Berichterstattung gehen häufig die leisen Töne und die lange Perspektive vergessen: Wie geht es einem Mann 30 Jahre, nachdem er schwerst sexuell misshandelt wurde? Was macht ein junger Mann, der merkt, dass er sich sexuell von Kindern angezogen fühlt, aber keinesfalls straffällig werden will? Wie geht eine Mutter damit um, wenn sie erfährt, dass ihr bester Freund ihren kleinen Sohn jahrelang vergewaltigt hat?
Die Journalistin Jacqueline Straub hat zusammen mit und unter der Leitung von Zora Schaad, Ressortleiterin a.i. im Team Story, während mehrerer Wochen Interviews mit Betroffenen und Fachkräften aus Beratung, Psychiatrie, Politik und Polizei geführt. Die fünfteilige Serie wird vom 30. November bis 4. Dezember 2020 als Video, Text und Podcast auf 20minuten.ch sowie in der Printausgabe erscheinen.
30. November: Pascal (45) : «Ich wurde als Kind während sieben Jahren sexuell misshandelt»
Als kleiner Bub wurde Pascal über mehrere Jahre vom besten Freund seiner Mutter massiv sexuell misshandelt. Erst als Pascal in der Pubertät seinem Peiniger drohte, ihn umzubringen, liess dieser von ihm ab. Im Video und im Podcast erzählt Pascal seine Geschichte. Regula Schwager von der Beratungsstelle Castagna für sexuell ausgebeutete Kinder und Jugendliche und in der Kindheit ausgebeutete Frauen und Männer sagt dazu: «Man geht davon aus, dass 20 bis 33 Prozent der Frauen und 10 bis 16 Prozent aller Männer als Kind sexueller Gewalt ausgesetzt waren. Sexuelle Ausbeutung ist für das Kind immer traumatisch. Es erlebt Dinge, welche es nicht bewältigen kann.»
1. Dezember: Philipp* (28): «Ich bin pädophil, aber ich werde nie ein Kind anfassen»
Philipps sexuelle Phantasien mit Buben sind immer präsent. Auf keinen Fall will er sie ausleben, Kinder misshandeln und sich strafbar machen. Philipp macht eine Präventionstherapie bei der Fachstelle Forio. Monika Egli-Alge, Geschäftsführerin von Forio: «Rund ein Prozent der Männer hat wie Philipp pädophile Neigungen. Sie müssen durch eine jahrelange Präventionstherapie lernen, was sie meiden müssen, damit sie nicht zu Tätern werden. Die Fantasien werden aber immer bleiben.»
2. Dezember: Marion* (51): «Mein Ex-Mann ist pädokriminell und sitzt im Gefängnis»
Marion führte eine glückliche Ehe – bis eines Morgens plötzlich die Polizei vor der Tür stand und ihren Mann festnahm. Er hatte sich am Nachbarsjungen vergangen. Zehn Jahre blieb Marion trotz öffentlicher Ächtung bei ihrem Mann, bis sie sich endlich lösen konnte. Steffen Lau, Chefarzt an der Klinik für Forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich: «Bei unbehandelten Pädokriminellen liegt das Rückfallrisiko bei über 30 Prozent. Bei behandelten Pädokriminellen zwischen 10 bis 15 Prozent. Pädokriminelle wissen ganz genau, dass der Missbrauch von Kindern oder der Konsum von Kinderpornos verboten sind. Aber sie relativieren und bagatellisieren gerne ihre Taten. Viele Pädokriminelle haben erhebliche kognitive Verzerrungen.»
3. Dezember: Sandra* (58): «Ich bin mitschuldig, dass mein Sohn sexuell misshandelt wurde»
Erst als es zum Gerichtsprozess kam, erfuhr Sandra, dass ihr Sohn jahrelang von ihrem besten Freund sexuell misshandelt wurde. Und das, obwohl der Junge Andeutungen gemacht hatte. Regula Schwager von der Beratungsstelle Castagna: «Die tätlichen Personen sind häufig liebe und wertvolle Freundinnen, Partner oder Kollegen der betroffenen Familien. So versuchen viele Angehörige, diese schlimme Tatsache zu verdrängen. Die Tabuisierung der schrecklichen Taten dient dem Schutz vor der unerträglichen Tatsache.»
4. Dezember: Hanspeter Krüsi, Kantonspolizei St. Gallen: «Der Konsum von Kinderpornos nimmt wegen Corona zu»
Bei der Suche nach Pädokriminellen sind Ermittlern oft die Hände gebunden. Wer hinter der Kinderporno-Industrie steckt und was die Ermittler mitansehen müssen, erklärt Hanspeter Krüsi von der Kantonspolizei St. Gallen. Yvonne Feri, SP-Nationalrätin und Präsidentin von Kinderschutz Schweiz: «Die Überwachung im Internet muss intensiv fortgesetzt, Kindesmissbrauch und der Konsum von kinderpornografischem Material aufs Äussere verfolgt werden. Anders kann man Kinder kaum schützen.» Feri plädiert dafür, dass das Strafrecht und jene Passagen, die etwas mit Digitalisierung und Missbrauch zu tun haben, immer wieder neu überprüft werden.
*Namen geändert
Multimediale Serie: Online, Print, Video, Podcast
Link zum ersten Teil