Interview-Auszug aus der Luzerner Zeitung vom 25.09.2017 mit Christoph Brand, Leiter Classifieds & Marketplaces und Mitglied der Unternehmensleitung von Tamedia.

Der Digital-Chef von Tamedia erklärt, warum Ricardo.ch einen Gewinneinbruch erlitten hat. Zudem macht er sich Gedanken über das Ende der Einstellgebühren und sinniert über mögliche Kooperationen – auch mit der Konkurrenz.
Interview: Maurizio Minetti und Livio Brandenberg
Christoph Brand, im ersten Halbjahr sank der Ricardo.ch-Umsatz um 6 Prozent, und der Gewinn brach um 28 Prozent ein. Was ist passiert?
Zunächst muss man sehen, dass Ricardo.ch nach wie vor deutlich profitabel ist. Als wir die Plattform vor zwei Jahren übernommen hatten, war die Firma defizitär. Nun zum ersten Halbjahr: Der Wettbewerb unter Online-Plattformen hat sich in den letzten Jahren massiv verschärft. Getrieben von internationalen Playern wie Amazon, aber auch günstigen und rasant wachsenden Anbietern wie Wish und Aliexpress aus China. Diese Konkurrenz spüren wir, darum investieren wir in Technologie. Diese Kosten drücken auf den Gewinn.
Was genau beinhalten diese Investitionen?
Unsere Investitionen konzentrieren sich auf die Weiterentwicklung der Plattform, die zum Teil 17 Jahre alt ist. Das ist keine Kosmetik – Ricardo.ch wird fundamental neu gebaut.
Wann wird man Resultate sehen?
Die sieht man schon jetzt; es ist ein fortlaufender Prozess, bei dem wir regelmässig Kundenfeedbacks einfliessen lassen. Es ist nicht so, dass wir im stillen Kämmerlein etwas bauen, und dann ist die neue Plattform da. Wir bauen schrittweise neue Services ein.
Welche zum Beispiel?
Wenn ein Nutzer sein Passwort vergessen hatte, war das bislang ein grässlicher Prozess. Jetzt ist es schlank gelöst. Vor wenigen Tagen haben wir auch eine verbesserte Suche aufgeschaltet, und die Startseite ist bereits neu. Vieles wird in Zukunft weiter verbessert.
Wie viel investieren Sie?
Genaue Zahlen geben wir nicht bekannt, aber Sie können davon ausgehen, dass eine sechsstellige Summe dafür nicht ausreicht.
Ihre direkte Konkurrenz wie Siroop oder Digitec Galaxus investiert viele Millionen Franken in Marketingmassnahmen.
Für uns macht es keinen Sinn, einfach Millionen für Marketing auszugeben. Wir suchen stets die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben. Das heisst aber nicht, dass wir kein Geld für Marketing ausgeben. Eine neue Kampagne für Autoricardo.ch ist angelaufen, und Ricardo.ch startet damit in den nächsten Tagen. Aber unser Budget ist bewusst überschaubar. Wir wollen vor allem den starken Traffic von Ricardo.ch im Geschäft mit Privatkunden nutzen, um auch im Geschäft mit KMU-Kunden zu wachsen. Insofern müssen wir auch nicht so viel wie andere Wettbewerber in Marketing investieren.
Wie lange wird es dauern, bis der Gewinn wieder steigt?
Wir werden sicher noch bis Mitte des nächsten Jahres investieren. So lange wird es dauern, bis die Plattform komplett überarbeitet ist.
Sie haben die Konkurrenz von Amazon und den chinesischen Plattformen angesprochen. Doch auch aus Ihrem eigenen Haus gibt es Konkurrenz: Zu Tamedia gehören unter anderem auch der Second-Hand-Shop Tradono und die Anzeigenplattform Tutti.ch. Gerade bei Tutti.ch gibt es Überlappungen zu Ricardo.ch. Würde eine Fusion der beiden Plattformen Sinn machen?
Ich glaube nicht, dass eine Fusion von Ricardo.ch und Tutti.ch derzeit Sinn macht. Ob die Aussage in fünf Jahren noch stimmt, weiss ich nicht. Die beiden Plattformen sind in der Tat Konkurrenten bis zu einem gewissen Grad, doch das Produkte-Erlebnis ist anders. Bei Tutti.ch interagieren die Nutzer direkt. Bei Ricardo.ch stehen wir dahinter und vermitteln zwischen Käufer und Verkäufer, wenn es Probleme gibt. Es entsteht ein rechtsgültiger Vertrag. Wir lassen Tutti.ch und Ricardo.ch bewusst nebeneinander laufen, so wie wir das im Mediengeschäft mit «Tages-Anzeiger» und «20 Minuten» oder mit «Berner Zeitung» und «Bund» machen.